Bagatellgrenze
• Wenn die Beilackierung angrenzender Teile im Schadengutachten als technisch erforderlich kalkuliert ist, gehört sie zum Schadenersatzanspruch AG Neu-Ulm, Urteil vom 9.10.2014 – 3 C 991/14
• IWW Abruf-Nr. 143051
• LG Memmingen, Urteil vom 25.2.2015 – 11 S 1713/14
• AG Konstanz, Urteil vom 09.11.2016 – 9 C 615/16, IWW Abruf-Nr. 190080 „Der Geschädigte durfte sich auf die Richtigkeit des Gutachtens verlassen. … Die ausgeführten Reparaturen der Beilackierung und der Ersatz des Querträgers der Stoßstange sind im Gutachten enthalten.“
• So auch
• AG Salzgitter, Urteil vom 30.09.2016 – 22 C 57/15, IWW-Abruf-Nr. 189244
• Wenn die Erneuerung einer Gummidichtung an der Heckklappe im Schadengutachten vorgesehen ist, darf der Geschädigte das in Auftrag geben. Ob die Erneuerung technisch tatsächlich notwendig war, ist dann schadenrechtlich ohne Relevanz
• AG Fürstenwalde/Spree, Urteil vom 9.7.2014 – 26 C 299/13 IWW Abruf-Nr. 144100
• Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Der Kläger durfte die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten für erforderlich halten und nach diesen Maßgaben reparieren lassen. Dies hat er unstreitig auch getan. … Auch das Bestreiten der Erforderlichkeit des Austauschs der Heckklappendichtung ist unerheblich, nachdem der Sachverständige dies im Schadengutachten als erforderliche Reparaturmaßnahme kalkuliert und die Reparaturfirma entsprechend repariert hat.“
• Alles andere geht am Thema vorbei!
• AG Hamburg Blankenese, Urt. v. 13.5.14 – 532 C 472/13 IWW Abruf-Nr. 141698
• Notiert der Sachverständige im Schadengutachten, dass wegen der ausgelösten Gurtstraffer auch der Sicherheitsgurt als solcher ausgetauscht werden müsse, darf der Geschädigte darauf vertrauen. Er darf der Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren, also auch die Gurte auszutauschen
• Das Ergebnis des Gutachtens folgte der Herstellervorgabe, die das Erneuern der Gurte vorsieht, wenn der Gurtstraffer ausgelöst hat. Vermutlich war es also richtig.
• Auch das AG Berlin-Mitte gesteht dem Geschädigten zu, sich auf das Schadengutachten zu verlassen und den entsprechenden Reparaturauftrag zu erteilen
• Urteil vom 23.9.2015 – 18 C 3143/15 IWW Abruf-Nr. 145969
• AG Tettnang, Urteil vom 30.06.2016 – 8 C 26/16 ordnet sämtliche Prognose-, Beurteilungs- und Arbeitsumfangsrisiken dem Schädiger zu
• Sehr lesenswert, IWW Abruf-Nr. 187094
• LG Köln, Urt. vom 29.3.2016 – 36 O 65/15 • „Dabei kommt es auf die Frage, ob der Austausch des Lenkgetriebes aufgrund des Unfalls erforderlich war, nicht an. Denn der Kläger durfte auf Basis des von ihm in Auftrag gegebenen Privat-Gutachtens annehmen, dass der Austausch vorzunehmen war. Maßgeblich für die Höhe des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens sind die tatsächlich angefallen Reparaturkosten, wenn der Geschädigte insoweit seine Obliegenheiten zur Schadensminderung berücksichtigt hat (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 29.10.1974, VI ZR 42/73, NJW 1975, 160, 161; …
• Denn „der erforderliche Herstellungsaufwand“ wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss” (Zitat aus BGH, NJW 1975, 160,161).“
• IWW Abruf-Nr. 146767
• Für die konkrete Reparatur AG Regensburg, Urteil vom 11.8.2016 – 3 C 824/16
• „Dann besteht der Schaden nicht mehr in dem Aufwand, der voraussichtlich entsteht, um den Schaden zu beseitigen, sondern in der Einbuße an Geld, die der Geschädigte tatsächlich erlitten hat. Denn zu den nach § 249 BGB zu ersetzenden notwendigen Aufwendungen für die Schadenbeseitigung gehören auch die Kosten, die der Geschädigte bei verständiger Würdigung erwarten durfte. Das mit dieser Beurteilung verbundene Risiko trägt nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger. …
… Die Schadenbetrachtung hat sich in diesen Fällen nicht nur an objektiven Kriterien zu orientieren, sondern ist auch subjektbezogen. Es darf nicht außer acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, vor allem, sobald er einen Reparaturauftrag erteilt hat und das zu reparierende Fahrzeug in die Hände von Werkstätten gibt. … Es ist, wenn wie hier dem Geschädigten kein Auswahlverschulden zur Last fällt, grundsätzlich nicht seine Sache, sich nach Beauftragung einer Werkstatt … wegen der Höhe der Rechnung mit dieser auseinander zu setzen.“
• „Nicht maßgeblich für die Bestimmung der Erforderlichkeit der Kosten ist die nachträgliche Überprüfung der jeweiligen Reparatur- und sonstigen Rechnungen durch den Schädiger und/oder seine Haftpflichtversicherung bezüglich der einzelnen Reparaturschritte und die Höhe der jeweiligen Rechnungsposition, solange diese Arbeit nur im grundsätzlichen Zusammenhang mit dem durch den Unfall verursachten Schaden stehen. Auch wenn die Versicherungswirtschaft es gerne anders hätte und durch stete Wiederholung versucht, die Rechtsprechung in diesem Sinne zu bewegen, steht ihr aufgrund der gesetzlichen Systematik des Schadenrechtes die Rolle des ‚Rechnungsprüfers‘ in Bezug auf die dem Geschädigten durch das Schadenereignis verursachten Kosten nicht zu.“
• AG Suhl, Urteil vom 21.09.2016 – 1 C 544/15, IWW 189987
• Der Geschädigte darf sich auf das Schadengutachten verlassen. Er darf den Auftrag erteilen, so zu reparieren, wie der Sachverständige es vorgesehen hat. Der Versicherer muss den Schaden dann erstatten in dieser Höhe erstatten und kann nicht im Nachhinein den angemessenen Reparaturumfang in Frage stellen AG München, Urteil vom 02.12.2016 – 332 C 7462/16 IWW Abruf-Nr. 190715 Das ist ja nun fast schon ein alter Hut. Doch das Besondere an dem Urteil: Hier hatte die Werkstatt aus abgetretenem Recht geklagt. Der Versicherer meinte, dann seien die Dinge anders zu sehen. Die Werkstatt sei doch selbst fachkundig, und deshalb könne sie sich nicht „hinter dem Gutachten verstecken“. Das sah das Gericht ganz anders. Durch die Abtretung ändert sich an der Rechtsnatur der eingeklagten Forderung nichts.
• Es bleibt inhaltlich der Schadenersatzanspruch des Geschädigten, nur ist er jetzt in anderen Händen.
• Die Werkstatt hatte den Auftrag, so zu reparieren, wie der Schadengutachter es vorgesehen hat. Diesen Auftrag darf sie abarbeiten, ohne das Gutachten inhaltlich zu überprüfen. Deshalb gibt es auch keine vermeintlichen Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt wegen angeblicher Schlechterfüllung des Werkvertrages. Im Gegenteil: Die Werkstatt hat mit dem Reparaturumfang gemäß Gutachten ihre Pflicht erfüllt.
• Das Urteil ist ein perfektes Beispiel dafür, wie sauberes Auseinanderhalten der Rechtsebenen „Werkvertragsrecht“ und „Schadenersatzrecht“ den Erfolg bringt.